Katzenpsychologin Claudia Riegler erklärt das Fehlverhalten einer Katze – ein Hilferuf

Im Gespräch mit…
Claudia Riegler, zertifizierte Katzenpsychologin

Wir freuen uns, Ihnen Claudia Riegler, Katzenpsychologin, in einem Gespräch vorstellen zu dürfen. Frau Riegler ist auf Verhaltensberatung spezialisiert – dabei unterstützt sie Katzenhalter das Verhalten ihrer Fellnasen besser zu verstehen und individuelle Lösungen zu finden. Hierbei nimmt sie die Beweggründe für „schlechte Manieren“ der Katze in Augenschein. Liegt es tatsächlich daran, dass die Katze einfach rebellisch ist, oder liegt der Grund im eigenen Handeln, im Fehlen von Beschäftigungsmöglichkeiten oder mangelhafter Ernährung?

In ihrer täglichen Arbeit legt sie großen Wert auf eine individuelle und ganzheitliche Betreuung, um Katzen jeden Alters ein stressfreies und erfülltes Leben zu ermöglichen. Mit ihrem fundierten Wissen als zertifizierte Katzenpsychologin und Verhaltensberaterin unterstützt sie Katzenbesitzer dabei, ihre Samtpfoten besser zu verstehen und die bestmögliche Lebensqualität für ihre Tiere zu schaffen. Besonders wichtig ist ihr dabei die Harmonisierung des Zusammenlebens zwischen Artgenossen und Menschen, um ein friedliches und ausgeglichenes Miteinander zu fördern.

Im Gespräch mit Frau Riegler erhalten wir spannende Einblicke in die Bedeutung von artgerechter Haltung und emotionaler Balance für Katzen, die oft übersehen wird, dabei aber entscheidend für das Wohlbefinden unserer Stubentiger ist.

Hallo Frau Riegler. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, um einen Blick auf die Psychologie der Katze zu werfen. Was fasziniert Sie ganz persönlich daran?

Kleine Katze liegt auf dem Rücken und spielt mit einem Finger
@ florianhoellmueller - pixabay user_id15029742

Mich fasziniert, wie individuell Katzen sind und wie sehr Halter übersehen, was für individuelle Charaktere unsere Katzen haben. Durch meine Ausbildung in der Katzenpsychologie ist mir bewusst geworden, dass ich selbst viele Fehler in der Katzenhaltung gemacht habe. Katzen sind keine pflegeleichten Haustiere, die eine gute Alternative für einen Hund darstellen, wenn die Zeit für diesen fehlt. Diese Ansicht hält sich leider immer noch hartnäckig und daraus resultieren viele Verhaltensauffälligkeiten.

Was sind die häufigsten Ursachen für Verhaltensprobleme bei Katzen?

  • Erkrankungen (FORL, Blasenentzündungen, Schilddrüsenüberfunktion, andere Erkrankungen)

  • Nicht artgerechte Haltung (Keine artgerechte Ausstattung, fehlende Katzentoiletten, Kratzbäume, Schlafplätze, Rückzugsorte); Rassen, die noch sehr am Wildtyp sind, wie z.B. Bengal-Katzen werden in „sterilen Designerhäusern gehalten“; Defektzuchten (z.B. Sphinx, Scottish-Fold, Manx, Känguru-Katze etc.) werden angeschafft, obwohl diese Katzen nicht in der Lage sind ein artgerechtes Leben zu führen (körperliche Einschränkungen etc.). : Verhalten in den Genen verankert (Rennen, jagen, springen, tasten); Spielzeug für Kinder.

  • Kommunikationsprobleme zwischen Mensch und Katze (die Katze muss ständig zur Verfügung stehen); Der Halter kennt die Körpersprache der Katze nicht. Es kommt zu Missverständnissen, wenn der Halter kuscheln will, die Katze aber keine Lust hat und dies bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht hat; Spielaufforderungen werden ignoriert bzw. nicht gesehen

Gibt es dabei einen Unterschied, ob die Katze alleine ist oder ob noch andere im Haushalt leben?

Nein. Es kommt immer auf den individuellen Fall an: Eine Katze, die lange als Einzelkatze gelebt hat oder schlecht sozialisiert ist, kann mit anderen Artgenossen nicht umgehen und wird leiden, wenn sie plötzlich Gesellschaft erhält. Im umgekehrten Fall: Eine soziale Katze, die mit Mutter und Geschwistern aufwuchs, wird ebenso leiden, wenn sie plötzlich ohne Artgenossen leben muss. Die Aussage von Haltern: „Aber wir sind doch auch sozial und kümmern uns..“ Hört man leider recht häufig. Man kann das aber nicht vergleichen, denn: Ein Mensch ist nun mal keine Katze. Wir sprechen kein kätzisch, wir spielen anders mit einer Katze als ein Artgenosse (wenn denn überhaupt gespielt wird) und wir können auch keine soziale Fellpflege betreiben. Dazu kommt, dass die Halter oft den ganzen Tag außer Haus sind. Die Katze ist den ganzen Tag allein, läuft durch ihr beschränktes Revier (Wohnungshaltung), frisst bereitgestelltes Futter und schläft. Dann kommen die Halter müde nach Hause, essen, schauen fern und gehen schlafen. Die Katze? Langweilt sich weiter und wird irgendwann depressiv oder verhaltensauffällig. Man kann nicht pauschal sagen: Eine Katze braucht einen Artgenossen oder nicht. Es kommt auf den Charakter der Katze an. Um herauszufinden, was das Individuum Katze wirklich benötigt, gibt es Experten, die mit Auswertungen arbeiten, um herauszufinden, welche Charaktere zusammenpassen und ob eine Katze überhaupt kompatibel mit Artgenossen ist.

Welche Rolle spielt die Beziehung zwischen Mensch und Katze für das Verhalten der Tiere?

Eine sehr große Rolle. Wenn der Halter die Körpersprache, Mimik und Lautsprache der Katze nicht deuten kann, dann führt das zu Missverständnissen. Und Missverständnisse führen bei Halter und Katze zu Frustration. Beispiel: Will die Katze spielen, dann streckt sie sich häufig an Kratzbäumen, aber auch am Sofa…Dabei schaut sie den Halter bewusst an. Das ist eine Spielaufforderung. Von den meisten wird es aber so gedeutet: Die Katze kratzt ganz bewusst (am Sofa), weil sie gegen etwas protestiert oder den Halter „bestrafen“ will. 

Das Gleiche Problem besteht, wenn Katzen bewusst markieren. In diesen Fällen macht die Katze darauf aufmerksam, dass sie Hilfe braucht. Entweder ist sie krank oder sie kommt mit ihrer Lebenssituation nicht zurecht. Viele Halter deuten das Verhalten auch hier als Protest oder Bestrafung, weil die Katze ihre Menschen beim Markieren ansieht. Es ist aber schlicht ein Hilferuf (genau wie bei Unsauberkeit).

Miaut die Katze/Kater durchdringend die ganze Nacht und veranstaltet Wettrennen über das Bett, dann ist der Halter frustriert und wütend. Hier wird aber übersehen, dass das Tier schlicht nicht ausgelastet ist. Die Katze ist frustriert und unglücklich und weiß nicht, wohin mit der aufgestauten Energie. In 85 % der Fälle ist das Tier schlicht unterfordert. In 10 % der Fälle ist das nächtliche Theater durch eine falsche Fütterung begründet und in 5 % der Fälle an einer Erkrankung (Demenz).

Eine British-Shorthair kratzt an einem Kratzstamm
(c) Alexas_Fotos pixabay user_id:686414

In einer guten Katze-Mensch-Beziehung sorgt der Halter für sein Tier: Artgerechte Beschäftigung (körperlich und geistig); artgerechte Ausstattung; tierärztliche Versorgung (mindestens 1x im Jahr ein tierärztlicher Check), artgerechte Ernährung (kein Trockenfutter, hochwertiges Nassfutter mit mindestens 70 % Fleischanteil, ohne Zucker, ohne Getreide).

Welche Möglichkeiten gibt es für Laien, ein durch die Umgebung hervorgerufenes „Fehlverhalten“ von Katzen zu erkennen und richtig zu deuten?

Das ist meiner Meinung nach kaum möglich. Das sehe ich an mir, wie sehr ich das Verhalten meiner Katzen vorher „fehlgedeutet“ habe. Wer sich nicht ausgiebig mit dem kätzischen Verhalten beschäftigt und versucht seine Katze zu verstehen, der wird ein Fehlverhalten nicht erkennen, sondern als Protest oder Bestrafung interpretieren. Als Rat kann ich hier nur geben: Tritt ein Verhalten auf, dass der Halter als belastend empfindet, dann ist es angeraten sich sofort professionelle Hilfe zu holen. Denn: Es gibt heute leider immer noch viel zu viel Halbwissen, das verbreitet wird und unseren Katzen schlicht schadet. Ein bevorzugter Ort sind die sozialen Medien, in denen viele „Profis“ ihr Wissen zum Besten geben, das schon längst überholt ist. Diese Meinungen und Tipps schaden Katzen und können sogar lebensgefährlich für das Tier sein. Wer sich Hilfe bei einer Expert*in sucht, der erhält zugleich eine „Unterweisung“ und wird später das Verhalten, Körpersprache, Lautsprache seiner Katze besser verstehen.

Welche Rolle spielt die Kommunikation und Bestrafung (z. B. das häufig angewandte Wassersprühen)?

Jegliche Art von Strafen schaden Katzen, und der Beziehung zwischen Mensch und Katze. Anfauchen, anpusten, Gegenstände werfen, anschreien, mit Wasser besprühen, mit der Nase in Urin oder Kot tunken usw. sind keine Alternative bei Fehlverhalten. Jedes Verhalten hat einen Grund. Bestrafungen schaden dem Vertrauen zum Halter. Irgendwann wird die Katze Angst haben und sich sofort verstecken, wenn die Bezugsperson den Raum betritt. Strafen beheben grundsätzlich das Problem nicht. Sei es eine Erkrankung oder eine falsche Haltung. Das Tier leidet so oder so schon und Strafen sind ein absolutes NoGo.

Es gibt bei Katzen keine Protesthandlungen. Das ist ein Mythos. Wenn der Halter dementsprechend keine Verantwortung zeigt und abklärt woran es liegt, dass ein ungewünschtes Verhalten gezeigt wird, dann bleibt es bestehen oder verschlimmert sich. Zum Leid der Katze. Es geht halt eben nicht nur um den armen Halter, sondern um die arme Katze.

Inwieweit ist die Routine im Alltag für die emotionale Balance von Katzen von Bedeutung? Braucht die Katze einen geregelten Tagesablauf?

Kleine Babykatze schreit und wird gestreichelt
@ Artem_Makarov - pixabay user_id29152443

Katzen sind Gewohnheitstiere, sie lieben einen geregelten Tagesablauf. Dabei ist nicht wichtig, dass alles zwingend immer zu der gleichen Uhrzeit passiert (das kann niemand gewährleisten), aber es sollte passieren. Das heißt, dass die Spielzeiten, das Clickern, Kuschelzeiten usw. auf jeden Fall stattfinden sollten, auch wenn es zeitlich mal nicht zu 100 % passt.

In Bezug auf die emotionale Balance hat der Tagesablauf einen sehr großen Einfluss auf Katzen. Katzen sind schnell verunsichert, wenn etwas unvorbereitet passiert. Hier ist ein 

gutes Beispiel der Tierarzt. Viele Halter melden sich, weil die Katze entweder durchdreht, wenn es zum Arzt geht oder in Schockstarre verfällt. Hier hilft Tierarzttraining der Katze den Besuch entspannter zu ertragen. Durch das Training von bestimmten Berührungen und einer sprachlichen Ankündigung, ist die Katze darauf vorbereitet, dass gleich zum Beispiel Blut abgenommen wird. Die Katzen sind viel ruhiger, weil es nicht unvorbereitet passiert, sondern mit Ankündigung.

Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihren wertvollen Einblick in das Zusammenleben mit einer Katze. Zum Abschluss noch eine allgemeine Frage: Was wünschen Sie sich für die Zukunft im Tierschutz?

Mehr Verständnis, Rücksichtnahme und Empathie für alle Tiere. Das Menschen endlich erkennen, dass Tiere Individuen sind mit unterschiedlichen Charakteren, aber auch Gefühlen, Bedürfnissen, Ängsten. Und: Dass unsere Politik endlich aktiv wird und die Strafen bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz im drastischen Maße anhebt. Die Niederlande sind ein gutes Beispiel. Sei es in Bezug auf die Verbote von Defektzuchten, Strafen oder bei der Ausarbeitung des TschG.

Kontakt:

Claudia Riegler

Instagram: harmonie_katzenpsychologie

Webseite: www.harmonie-katzenpsychologie.de

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