Wie wichtig ist Ernährung bei Tieren mit Handicap?

Im Gespräch mit...

Karolina Weiß, Tierphysiotherapeutin, Ernährungsberaterin und Expertin für ganzheitliche Tiergesundheit

Wir freuen uns, Ihnen Karolina Weiß, Tierphysiotherapeutin, in einem Gespräch vorstellen zu dürfen. Karolina Weiß ist in ihrer täglichen Arbeit auf die Behandlung neurologischer und chronischer Beschwerden bei Hunden und Katzen spezialisiert. In ihrer Arbeitsweise legt sie großen Wert auf eine ganzheitliche Behandlung, um den Tieren auch im hohen Alter und bei Gelenkbeschwerden ein glückliches Leben ermöglichen zu können. Mit ihrem fundierten Wissen als zertifizierte Tierheilpraktikerin, Tierphysiotherapeutin und Ernährungsberaterin hilft sie Tierbesitzern, der beste Therapeut für ihre eigenen Fellnasen zu werden. Besonders spannend sind die eigenen Erfahrungen, die sie mit ihren beiden querschnittsgelähmten Hunden gemacht hat. Denn so kann sie aus eigener Erfahrung sprechen, wenn es darum geht, Tiere mit Handicap oder Einschränkungen zu begleiten.

Im Gespräch mit Karolina Weiß erhalten wir spannende Einblicke in die Bedeutung der Ernährung, die in bestimmten Fällen zur Herausforderung werden kann.

Guten Tag, Frau Weiß, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, uns einen Einblick in Ihre Arbeit zu geben. Sie selbst haben mit Sasa und Lucky zwei Hunde in Ihrem „Rolli-Club“. Waren die beiden der Grund, warum Sie sich für die Tierphysiotherapie interessieren?

Karolina Weiß: Meine beiden Hunde, Sasa und Lucky, kommen aus Shanghai, China, und ich kenne sie nicht in gesundem Zustand. Ich habe sie nie auf vier Beinen gesehen. Ich habe 2014 in Shanghai gelebt und meine Hündin Sasa zusammen mit vielen anderen Hunden in einem Massen-Dog-Shelter gesehen. Zu der Zeit hatte ich noch gar nichts mit Tierphysiotherapie zu tun, aber ich habe mich mit anderen ausländischen Freunden aktiv im Tierschutz engagiert. Als ich im Dog-Shelter geholfen habe, habe ich Sasa kennengelernt, als sie im gelähmten Zustand auf der Straße ausgesetzt und gerettet wurde. Von klein auf wollte ich schon immer mit Tieren arbeiten und habe sie früh ins Herz geschlossen. In Shanghai hielt ich selbst zwei Katzen und hatte eine deutsche Tierärztin. Bei ihr habe ich dann mitbekommen, dass sie auch Tierphysiotherapie anbietet. Zunächst war das für mich neu, aber ich war sofort interessiert. Daraufhin habe ich sie gefragt, ob man für Tierphysiotherapie Tierarzt sein muss. Nachdem sie mir erzählte, dass man je nach Land, wie zum Beispiel in Deutschland, kein Tierarzt sein muss, wurde ich hellhörig. 

Tierphysiotherapeutin Karolina Weiß mit ihren Hunden mit Handicap
(c) Karolina Weiß mit ihrer Samojeden-Hündin Sasa (l.) und Mischlingsrüde Lucky (r.)

Dann lernte ich Sasa kennen und wollte sie unbedingt zu der deutschen Ärztin bringen, weil ich eine Diagnostik und ihr helfen wollte. Nach dem Besuch beim Tierarzt habe ich sie zur Pflege aufgenommen, ich konnte und wollte sie nicht mehr in den Shelter bringen. Das war ganz schlimm für mich. Ich bin mit ihr dann noch öfter zu der Tierärztin, die mich dann in ein paar Übungen eingewiesen hat, die ich als Laie an Sasa umgesetzt habe. Ich hatte mich dann entschieden, wieder nach Deutschland zu gehen, weil ich unbedingt Tierphysiotherapeutin werden wollte. Ich bin dann also mit meinen zwei Katzen und Sasa wieder zurück „nach Hause“. Zwei Jahre später habe ich Lucky, auch aus Shanghai, bekommen. Für ihn hatte ich eigentlich eine Pflegestelle in den Niederlanden organisiert, doch da der Hund, den meine Mutter betreute, verstarb, Sasa sich aber so gut mit ihm verstand und trauerte, brachte ich es nicht über das Herz, Lucky abzugeben, und nahm ihn in meinen „Rolli-Club“ mit auf.

Neben den Hausbesuchen, die Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Physiotherapeutin machen, sind Sie zudem Expertin auf dem Gebiet der Ernährung und bieten Ernährungsberatung auch online oder per Telefon an. Gibt es im Bereich Ernährung Unterschiede bei den Bedürfnissen von Tieren mit körperlichen Einschränkungen im Vergleich zu gesunden Tieren?

Hund wartet auf sein Futter
(c) Karolina Weiß: Hündin Sasa wartet sehnsüchtig auf das leckere Futter

Karolina Weiß: Definitiv ja. Es lässt sich natürlich nicht pauschal beantworten, da es stark von den individuellen körperlichen Einschränkungen abhängt. Hier spielt es eine Rolle, ob es sich um ein organisches Problem handelt, wie zum Beispiel eine Leber- oder Nierenerkrankung, oder ob der Bewegungsapparat betroffen ist. Je nach Art der Erkrankung oder Einschränkung benötigt der Körper bestimmte Nährstoffe oder er hat sogar Schwierigkeiten, bestimmte Nährstoffe zu verarbeiten. In solchen Fällen benötigt das Tier eine entsprechend kontrollierte Aufnahme. Ein Beispiel hierfür ist bei nierenkranken Tieren die Anpassung des Phosphorgehalts im Futter. Bei Nierenerkrankungen sollte die Aufnahme von Phosphor verringert werden, da zu viel Phosphor die Niere weiter schädigt. Bei Tieren, die aufgrund von Erkrankungen des Bewegungsapparates, aufgrund von Schmerzen oder gar Lähmungen in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sind, besteht häufig das Risiko einer schnellen Gewichtszunahme. 

Auch in solchen Fällen ist eine angepasste Ernährung wichtig, um das Tier nicht unnötig durch zusätzliches Gewicht zu belasten. Es kommt wirklich auf das Problem der Tiere an, da zum Beispiel bei gelähmten Tieren, wie bei meinen Hunden, oftmals Sekundärprobleme hinzukommen, wie beispielsweise Kot- oder Harnabsatzprobleme oder Harnwegsinfekte. Hier hilft oftmals schon eine Umstellung von Trocken- auf Nassfutter. Wenn ein Hund ständig unter Blasenentzündungen leidet, dann macht es Sinn, dass er mehr Flüssigkeit zu sich nimmt. Man könnte natürlich mehr Wasser anbieten, aber eine einfachere Lösung wäre einfach etwas Nasses anstelle von etwas Trockenem zu füttern.

Können Sie unseren Lesern einen Einblick geben, welche Einschränkungen besonders abgestimmte Ernährung fordern? Zum Beispiel, um Knochen und Gelenke zu stärken. Welche Inhaltsstoffe sind in einem solchen Fall wichtig? 

Karolina Weiß: Bei Gelenkproblemen ist es besonders wichtig, das Tier im optimalen Gewichtsbereich zu halten, um zu verhindern, dass übermäßiges Gewicht zusätzlich die Gelenke beeinträchtigt. Ein gesundes Gewicht entlastet die Gelenke und kann die Symptome erheblich lindern. Darüber hinaus sollte das Futter so gewählt werden, dass es reich an entzündungshemmenden (anti-entzündlichen) Nährstoffen ist, da Gelenkerkrankungen oft mit chronischen entzündlichen Prozessen einhergehen. Zusätzlich empfehle ich bei Gelenkbeschwerden häufig die Supplementierung bestimmter Nahrungsergänzungsmittel, die je nach Bedarf schmerzlindernd wirken und die Gelenke unterstützen können. Es ist wichtig zu wissen, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Kräuter oder Mineralstoffe unter die Lebensmittelkategorie fallen und keine Medikamente sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie keine Wirkung haben; gleichzeitig können auch Nebenwirkungen auftreten. Deshalb betrachte und berate ich für jedes Tier, welche Zusätze helfen könnten und welche aufgrund möglicher anderer Erkrankungen vermieden werden sollten. Denn oftmals haben Tiere mehrere „Baustellen“, deshalb muss man da ein bisschen darauf achten. Zur Unterstützung der Gelenke setze ich häufig klassische Nahrungsergänzungsmittel wie Grünlippmuschelpulver, Hagebuttenschalen und Omega-3-Fettsäuren ein. Diese findet man zum Beispiel in Lachsöl und wirken anti-entzündlich. Aber auch exotischere Gewürze wie Kurkuma sowie Vitalpilze gehören zu meinen bevorzugten Mitteln, um die Gelenke zu unterstützen.

Zu den anti-entzündlichen Nahrungsergänzungsmitteln ist noch zu erwähnen, dass diese nicht direkt auf den Produkten stehen, da Hersteller keine Heilversprechen machen dürfen. Wichtig sind auf jeden Fall Omega-3-Fettsäuren, die in Fisch und Fischölen vorkommen, aber auch in Pflanzen. Ansonsten wirken sehr viele Kräuter, wie beispielsweise das schon genannte Kurkuma, Teufelskralle oder Indischer Weihrauch (Boswellia serrata). Diese haben Wirkstoffe, die anti-entzündlich und schmerzlindernd wirken, doch die Eigenschaften der Kräuter stehen jedoch nicht direkt auf den Etiketten der Produkte. 

Wie wichtig ist die frühzeitige Erkennung von körperlichen Einschränkungen bei Hunden oder Katzen, und welche Anzeichen sollten Tierbesitzer besonders im Blick haben?

@ Wunderlicht-Fotografie - pixabay user_id47405520

Karolina Weiß: Es ist natürlich sehr wichtig, auf die Anzeichen von Beschwerden bei unseren Tieren zu achten, aber es ist auch eine Herausforderung, da sie uns nicht direkt sagen können, wie sie sich fühlen. Viele Tiere sind wahre Meister im Verbergen von Schmerzen und Unwohlsein. Besonders Katzen sind dafür bekannt, Beschwerden zu verstecken und erst dann deutlich zu zeigen, dass es ihnen schlecht geht, wenn die Situation bereits sehr ernst ist. Zu den Anzeichen für Schmerzen oder Beschwerden gehören unter anderem Veränderungen im Verhalten oder Charakter, das Vermeiden von gewohnten Bewegungen, eine Veränderung der Körperhaltung, also irgendwie sitzt oder liegt das Tier komisch und nicht wie gewöhnlich. Aber auch die Verweigerung von Futter sowie Schmerzäußerungen oder erhöhte Berührungsempfindlichkeit (nicht zulassen von sanftem Streicheln) ist ein Anzeichen, genauso wie Veränderungen im Fell, vermehrtes Lecken oder Beißen an einer schmerzhaften Körperstelle. Zudem können auch Veränderungen im Urin- oder Kotabsatz auf Probleme im Bewegungsapparat hinweisen. 

Das ist vor allem bei Tieren, die neurologische Auffälligkeiten zeigen, ein Problem. Sie können inkontinent werden. Was häufig unterschätzt wird und vorkommen kann, ist tatsächlich, dass ein normalerweise entspannter Hund plötzlich unruhiger oder sogar aggressiv wird, was oft fälschlicherweise als Verhaltensproblem interpretiert wird. In vielen Fällen steckt jedoch eine starke Schmerzbelastung dahinter, die das Verhalten beeinflusst.

Wie wirkt sich Handicap und eingeschränkte Beweglichkeit auf das Verhalten eines Tieres aus, und wie kann die Ernährung auch hier therapeutisch wirken?

Karolina Weiß: Das ist natürlich sehr individuell, aber nehmen wir als Beispiel einen jungen, vorher sehr aktiven Hund, der plötzlich einen akuten Bandscheibenvorfall erleidet. Je nach Schweregrad kann der Hund in kurzer Zeit gelähmt und selbst nach einer Operation oder konservativer Behandlung mit Physiotherapie nicht sofort wieder genauso mobil sein wie vorher. Es kann viele Monate dauern, bis ein solcher Hund wieder einigermaßen genesen ist. In besonders schweren Fällen gelingt es leider nicht, die volle Mobilität wiederherzustellen, und das Tier muss auf Gehhilfen oder einen Rollwagen angewiesen sein – wie zum Beispiel meine eigenen Hunde. Abgesehen von der Gewichtszunahme, die wir schon besprochen haben, kann es eben auch zu typischen Sekundärproblemen wie Harnwegsinfekten kommen. Hier kann man durch die Zugabe bestimmter Nahrungsergänzungsmittel oder durch eine gezielte Anpassung der Futterration sowohl vorbeugen als auch therapieren. Als Beispiel: Nach einer Beckenverletzung bei einer Katze kann es durch viel Liegen zu eingeschränkten Darmtätigkeiten kommen. Hier hilft etwas ganz Simples wie Flohsamen, die die Darmaktivität anregen.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es besonders schlimm ist, wenn ein gelähmter Hund Durchfall bekommt. In diesem Fall wird er sich selbst und seine Umgebung einkoten, was nicht nur für den Besitzer eine große Belastung darstellt, sondern auch für den Hund. Hunde oder Katzen sind sehr reinlich und möchten nicht in ihren eigenen Ausscheidungen liegen. Zur Prävention von Durchfällen sollte man daher auf eine Ernährung achten, die der Hund gut verträgt, und weniger mit neuen Leckerlis oder anderen ungewohnten Nahrungsmitteln experimentieren, die den Magen-Darm-Trakt unnötig belasten könnten. Meinen Hunden würde ich gerne Kauknochen füttern, doch ich weiß, dass sie davon Durchfall bekommen und verzichte deshalb darauf. Da muss man eben herausfinden, was das Tier verträgt und was nicht. Das muss nicht speziell nur der Knochen sein, sondern kann durchaus auch Trocken- oder bestimmtes Nassfutter betreffen.

Inwiefern kann die richtige, auf die Bedürfnisse des Tieres abgestimmte Ernährung dazu beitragen, das Fortschreiten einer chronischen Erkrankung, z.B. des Bewegungsapparates, zu verlangsamen oder zu verhindern?

Karolina Weiß: Die Ernährung spielt meiner Meinung nach eine zentrale Rolle im Leben eines jeden Organismus. Sie ist nicht nur wichtig für die Gesunderhaltung und Vorbeugung von Erkrankungen, sondern sollte auch während der Genesung nicht vernachlässigt werden. Jedes Individuum, und damit auch jedes Tier, hat ganz eigene Bedürfnisse, wenn es um die Ernährung geht. Diese Bedürfnisse kommen besonders zum Vorschein, wenn eine Erkrankung auftritt, die eine noch individuellere Beurteilung der Diät erfordert als bei einem gesunden Tier. Eine angepasste, auf das Tier zugeschnittene Ernährung ist besonders hilfreich, da sie das Tier mit all seinen spezifischen Problemen berücksichtigt. Statt einzelne Beschwerden isoliert zu behandeln, wird der gesamte Zustand des Tieres in die Ernährungsplanung einbezogen. Das ist in der Praxis oft eine Herausforderung, da Tiere häufig mehrere gesundheitliche Probleme gleichzeitig haben. Dennoch ist es möglich, eine passende Lösung zu finden. Wenn man die richtige Ernährung für sein Tier gefunden hat, wird man feststellen, dass das Futter das Tier unterstützt, indem es die sogenannte „Selbstheilung“ durch ausgewählte Nährstoffe positiv beeinflusst. Es kann vorkommen, dass im Verlauf einer Erkrankung oder des Alterungsprozesses neue Probleme auftreten, sodass die Ernährung entsprechend angepasst werden muss. Es geht in erster Linie darum, das Tier mit ausgewählten Nährstoffen zu unterstützen.

Frau Weiß mit ihren Hunden bei einer Winterrunde durch den Schnee
(c) Frau Weiß mit ihren Hunden bei einer Winterrunde durch den Schnee

Können Sie uns ein Beispiel für eine besonders herausfordernde Ernährungsanpassung bei einem Tier mit Handicap oder einer chronischen Erkrankung erzählen und welche Erfolge Sie dabei erzielt haben?

Karolina Weiß: Es gibt tatsächlich einen Fall, der mich in meinem Glauben an die Ernährung als starkes Mittel zur Gesunderhaltung nachhaltig bestärkt hat. Es geht dabei um eine Corgi-Hündin in Shanghai, bei der im April 2018 im Alter von neun Jahren Krebs diagnostiziert wurde, und ich hatte maßgeblich an diesem Fall mitgewirkt.
Eine Freundin von mir betreibt in Shanghai die Firma Pawsome, die frisches Hundefutter herstellt – also kein Trocken- und auch kein Nassfutter, sondern frisch gekochtes Futter. Sie bat mich um Hilfe, weil sie von Besitzern kontaktiert wurde, die eine neun Jahre alte Hündin mit einem Tumor im Bauchraum hatten. Der Tumor war inoperabel, da er nahe an der Bauchaorta lag und teilweise mit ihr verwachsen war. Der Biopsiebefund ergab ein Lymphom. Die Besitzer wollten den Rat, ob Frischfütterung helfen könnte. Diese Hündin hatte zuvor nie Frischfutter bekommen, aber die Halter wollten alles tun, um ihr Leben zu verlängern. Ich entwickelte maßgeschneiderte Rezepte, die von Pawsome produziert wurden. Die Besitzer entschieden sich, komplett auf Frischfutter umzustellen.

Eier, Fleisch, Gemüse und Obst als Auswahl für Tierfutter zur richtigen Ernährung
(c) Karolina Weiß: Ein ganzer Tisch voller Leckereien für die Tiere

Die Herausforderung für mich als Ernährungsberaterin bestand darin, dass die Hündin zusätzlich zur Krebserkrankung auch erhöhte Nierenwerte hatte. Bei Krebserkrankungen tendiere ich dazu, so wenig wie möglich Kohlenhydrate zu füttern. Doch bei Nierendiäten aufgrund von Nierenerkrankungen tendiert man eher dazu, Kohlenhydrate als Energiequelle zu füttern. Die Zugabe von Proteinen wird hier reduziert, da man auf den Phosphorgehalt achten muss. Jetzt stand ich vor dem Problem, dass ich eigentlich gerne keine Kohlenhydrate, dafür aber mehr Proteine füttern würde, was aber aufgrund der Nierenerkrankung nicht möglich war. Ich kreierte ihr ein Futter, bei dem ich viel hochwertiges Protein und Muskelfleisch verwendete, damit der Phosphorgehalt niedrig bleibt. Die Diät wurde parallel zur tierärztlichen Behandlung durchgeführt, und die Hündin bekam Medikamente, die das Tumorwachstum hemmen sollten. Ein weiteres Sekundärproblem war die Gewichtsabnahme und hin und wieder auftretende Magen-Darm-Probleme. Wir passten immer wieder das Futter an, sodass sie nicht zu viel abnahm, aber auch nicht zu viel Energie zugeführt bekam. Zwei Jahre nach der ersten Diagnose trat ein erneuter Tumor auf, der entfernt wurde – ebenfalls ein bösartiges Lymphom. In der Folge arbeiteten wir mit einer TCM-Tierärztin (Traditionelle Chinesische Medizin) zusammen. Die Hündin lebte weiter bis April 2024, als sie im Alter von 15 Jahren nach exakt sechs Jahren seit der Krebsdiagnose verstarb. Sie konnte mit dem Krebs sechs Jahre lang ein gutes Leben führen, was durch das Futter unterstützt wurde.

Was ist Ihre wichtigste Botschaft an Haustierhalter, deren Tiere mit einem Handicap leben müssen, und wie können sie die Lebensqualität ihres Haustieres bestmöglich verbessern?

Karolina Weiß: Ein Leben mit einem behinderten Tier bringt viele Herausforderungen mit sich und erfordert je nach Schweregrad eine vollständige Umstellung des Alltags und des Umgangs mit dem Tier. Der tägliche Stress, die Sorgen der Besitzer und die Einschränkungen des Tieres können dazu führen, dass auch das Tier seelisch leidet. Es kann frustriert sein, weil es nicht mehr so wie früher spielen oder sich frei bewegen kann. Das macht sich natürlich auch in der Psyche des Tieres bemerkbar. Es ist daher wichtig, den Alltag und die Umgebung so angenehm wie möglich zu gestalten, also zum Beispiel durch alternative Beschäftigungsmöglichkeiten – sowohl für das Tier als auch für den Besitzer. Beide sollten so gut wie möglich von der Frustration entlastet werden. Aus diesem Grund arbeite ich derzeit an einem E-Book, das als Ratgeber für genau solche Fälle dienen soll.
Leider erleben viele Besitzer von Tieren mit plötzlichen Handicaps, dass sie ohne fundierte Beratung von Tierärzten in die schwierige Situation entlassen werden, ihr Tier zu versorgen. Oft wissen sie nicht, ob sie ihr Zuhause umgestalten oder spezielle Hilfsmittel anschaffen müssen. Das Fehlen dieser Unterstützung ist nicht aus Ignoranz oder böser Absicht der Tierärzte zu verstehen – häufig fehlt einfach die Zeit und das Personal in den Kliniken, um eine ausführliche Beratung zu leisten, was ich aus eigener Erfahrung in einer Tierklinik weiß.

Wichtig ist, dass die Besitzer proaktiv nach Hilfe suchen. Es gibt auf Plattformen wie Facebook beispielsweise Gruppen, in denen sich Besitzer ähnlicher Fälle austauschen können. Man sollte nicht den Eindruck haben, dass die Pflege eines behinderten Tieres einfach ist – ganz im Gegenteil, sie erfordert eine sorgfältige Vorbereitung, Informationssuche und die Anschaffung geeigneter Hilfsmittel.

Ich kenne die Überwältigung und Verzweiflung, die man in solchen Momenten fühlt. Es gibt Phasen, in denen man sich fragt, ob das Leben für das Tier noch lebenswert ist. Doch in jedem Fall lohnt es sich, es zu versuchen, und das sollte man nicht alleine tun. Es gibt viele Tiertherapeuten und Experten, die Unterstützung bieten können. Aus eigener Erfahrung mit meinen Handicap-Hunden, die ich seit 10 und 8 Jahren in diesem Zustand bei mir habe, kann ich auf jeden Fall bestätigen, dass sie trotz ihrer Einschränkungen viel Lebensfreude ausstrahlen. Sie führen, so gut es geht, ein normales Hundeleben und sollten nicht nur bemitleidet werden. Ich möchte also allen betroffenen Besitzern Mut machen, nicht aufzugeben und die Lebensqualität ihrer Tiere bestmöglich zu verbessern.

Für Sie gehen Tierernährung, alternative Heilmethoden und körperliche Fitness der Tiere Hand in Hand. Worauf kommt es hier besonders an?

Karolina Weiß: Für mich ist es eigentlich ganz logisch: Eine gesunde Ernährung ist so nahrhaft wie nur möglich und liefert somit alle essentiellen Nährstoffe, die ein Lebewesen zur Gesunderhaltung braucht. Ich vertraue ganz intuitiv der Vorstellung, dass die Natur uns alles bieten kann, was wir benötigen. Deshalb halte ich die gesündeste Ernährung für eine, die aus echten Lebensmitteln besteht – möglichst wenig verarbeitet, aber so viel wie nötig. Natürlich ist es heute aufgrund der nährstoffarmen Böden oft notwendig, Ergänzungen zu verwenden. Das ist einfach die Grundlage, auf der ich meine Ernährung betrachte. Körperliche Fitness ist für mich mindestens genauso wichtig. Die Bewegungsvielfalt unserer Tiere hängt maßgeblich von uns Menschen ab. Immerhin leben sie mit uns zusammen unter einem Dach, und wir entscheiden, wann und wie viel sie sich außerhalb der vier Wände bewegen können. Wenn wir ihnen keine ausreichenden Bewegungsmöglichkeiten bieten, tragen wir aktiv zu ihren Gelenkproblemen bei. Es gibt für gesunde Tiere fast kein „zu viel“ an Bewegung, aber es gibt definitiv ein „zu wenig“, und leider leiden viele unserer „Stadtwölfe“ und „Stubentiger“ darunter. Zu wenig Bewegung kann letztlich auch zu Arthrose und somit zu Schmerzen für unsere Fellnasen führen. Man kennt es ja von sich, wenn man den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt, fühlt man sich am Abend eingerostet.

(c) Karolina Weiß: Katze Amor, die leider im August 2024 verstarb, genoss eine gute Ernährung

Was alternative Heilmethoden betrifft, so sehe ich sie ganz klar als Ergänzung zur Schulmedizin, die besonders bei chronischen Beschwerden eine sanfte Unterstützung leisten kann. Ich liebe die Natur und glaube an ihre heilenden Kräfte. Der Gedanke, dass es immer eine Alternative gibt, die bei der Heilung helfen kann, beruhigt mich innerlich sehr und gibt mir Hoffnung.

Abschließend: Was wünschen Sie sich allgemein für die Zukunft in der Haustierhaltung?

Karolina Weiß: Ich wünsche mir, dass Haustiere mit Liebe und Würde behandelt werden. Es ist mir wichtig, dass ihre grundlegenden Bedürfnisse nach Bewegung, sozialer Entfaltung und einer artgerechten Ernährung nicht nur verstanden, sondern auch bestmöglich erfüllt werden.

Tief im Herzen hoffe ich, dass weniger „neue Tiere“ gezüchtet werden, damit die bereits lebenden Haustiere, die in deutschen Tierheimen oder an anderen Orten der Welt auf ein Zuhause warten, eine echte Chance auf ein gutes Leben bekommen. Sowohl im Bereich der Nutztiere als auch bei Haustieren ist es letztlich der Mensch, der für die hohe Zahl an Tieren verantwortlich ist. Solange der Mensch immer mehr Tiere haben möchte, aber immer weniger in der Lage ist, diese zu schätzen und zu lieben, wird sich nichts ändern. Ich hoffe auf mehr Bewusstsein und Respekt für das Leben von Tieren.

Besonders bei der Ernährung von fleischfressenden Haustieren wie Hunden und Katzen lege ich großen Wert auf die Herkunft des Fleisches. Eine artgerechte Haltung der Nutztiere ist für mich von enormer Bedeutung, und ich versuche, dieses Bewusstsein auch an meine Kunden weiterzugeben. Denn auch die Nutztiere verdienen es, mit Würde behandelt zu werden. Deshalb vermeide ich so weit wie möglich Futter aus Massentierhaltung. Zwar ist dieses Futter oft teurer, aber es ist auch gesünder für das Haustier, wenn die Fleischqualität hochwertiger ist. Ich empfehle gerne Hersteller, die auf diese Aspekte achten und sich klar zu einer ethischen und nachhaltigen Haltung bekennen.

Frau Weiß, ich bedanke mich ganz herzlich für den Einblick in Ihre Arbeit und das so wichtige Thema. Ihre Erfahrungen und Einsichten sind sehr wertvoll, und ich bin sicher, dass viele Leser davon profitieren werden. Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Expertise!

Karolina Weiß

Ein Herz für besondere Felle (2 Handicap Hunde, 1 Kater)

Tierphysiotherapeutin, Tierheilpraktikerin und Tierernährungsberaterin 

Expertin für Tiere mit Handicap und Tiere, die eine Ernährungsanpassung aufgrund von Krankheit oder körperlichen Einschränkungen benötigen

Hobbys: die Welt bereisen

Wenn Sie mehr über das wichtige Thema wissen wollen oder Hilfe benötigen, dann besucht doch mal Karo’s Petphysio

(c) Tierphysiotherapeutin, Ernährungsberaterin und Expertin für ganzheitliche Tiergesundheit, Karolina Weiß

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