Im Gespräch…
Linda Hüttmann, 1. Vorsitzender Berliner Tiertafel e. V.
Es freut uns, Ihnen eine neue Gesprächspartnerin vorstellen zu dürfen: Linda Hüttmann, 1. Vorsitzende der Berliner Tiertafel, einer einzigartigen Einrichtung, die seit ihrer Gründung nur ein Ziel verfolgt: Tierhalter bei finanziellen Herausforderungen und somit auch ihre Tiere zu unterstützen. Menschen können durch viele unvorhersehbare Faktoren in finanzielle Not geraten und urplötzlich nicht mehr in der Lage sein, ihre Tiere artgerecht zu versorgen. Dank des aufopferungsvollen ehrenamtlichen Engagements der Tiertafel kann verhindert werden, dass Familien auseinandergerissen werden müssen, weil die Halter keine Möglichkeit sehen, ihr Tier zu versorgen.
Ohne diese Arbeit könnten einige ohnehin überfüllte Tierheime vor noch größere Probleme gestellt oder Tiere aus Verzweiflung gar ausgesetzt werden. Im Gespräch mit Frau Hüttmann erhalten wir einen emotionalen Einblick in die Arbeit der Tiertafel und erfahren mehr über die Herausforderungen im Einsatz. Ein Blick hinter die Kulissen verrät uns mehr über die vielfältigen Projekte und wie sie immer wieder Wege finden, Besitzern und ihren Tieren aus nahezu ausweglosen Situationen zu helfen. Mit diesem Artikel möchten wir unseren Dank im Namen der vielen versorgten Tiere aussprechen und der Leistung sowie dem Einsatz den würdigen Respekt entgegenbringen.
TierFair.de: Guten Tag, Frau Hüttmann. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Würden Sie uns zu Beginn erklären, wie wir uns die Tiertafel vorstellen können?

Linda Hüttmann: Wir sind ein eingetragener gemeinnütziger Verein. Wir unterstützen den Tierschutz und soziale Zwecke, indem wir Tierfutter und Zubehör an bedürftige Menschen ausgeben. Im Bedarfsfall unterstützen wir die Tierhalter bei Tierarztbesuchen, zum Beispiel durch die Kostenübernahme bei Impfungen, Kastrationen, Parasiten-Vorsorge oder auch in medizinischen Notfällen. Diese Hilfe ist allerdings abhängig von den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.
TierFair.de: Wie funktioniert das System der Tiertafel? Wer kann die Unterstützung in Anspruch nehmen, um seine Tiere auch in schwierigen Zeiten versorgen zu können, und für welche Tiere bietet die Tiertafel an?
Linda Hüttmann: Damit Personen unsere Unterstützung bekommen, muss die Hilfebedürftigkeit nachgewiesen sein. Wir lassen uns das durch Transferleistungsbescheinigungen, also Bürgergeld, Grundsicherung oder Rentenbescheide, bestätigen und orientieren uns daran, dass die Behörden die Bedürftigkeit schon festgestellt haben. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass das Tier schon vor der Bedürftigkeit im Haushalt gelebt hat. Das heißt, in einem Gespräch mit den Haltern überprüfen wir, dass das Tier angeschafft wurde, als noch ausreichend Einkommen vorhanden war, und die Person erst später in die Bedürftigkeit eingetreten ist. Unsere Unterstützung gilt in erster Linie für Haustiere, die man in einer Stadt halten kann, wie beispielsweise ganz klassisch der Hund oder die Katze, aber auch Nager und Vögel. Der Fokus unserer Unterstützung liegt auf Futter, doch wir bekommen auch immer wieder Ausstattungsgegenstände wie etwa Leinen oder Näpfe gespendet, die wir entsprechend weitergeben.
TierFair.de: Gibt es außer der Stelle in Berlin weitere Zweigstellen in Deutschland, bei denen sich Bedürftige Hilfe holen können?
Linda Hüttmann: Bis 2014 gab es einen bundesweit tätigen Verein, seitdem haben sich viele einzelne Tiertafeln gebildet. Wir sind einer davon, ich weiß aber auch, dass beispielsweise in Hamburg oder München ebenfalls Tiertafeln gegründet wurden. Es ist einfach so, dass der Bedarf vorhanden war und sich viele Tierhalter auf die Unterstützung verlassen haben. Ehrenamtliche haben deshalb in verschiedenen Städten und Regionen Tiertafeln gegründet, die denselben Ansatz verfolgen, aber vielleicht eine andere Arbeitsweise haben. In Berlin haben wir nur die Ausgabestelle in der Wustrower Straße, aber wir haben verschiedene Sammelstellen, bei denen Privatpersonen Sachspenden (Futter, Zubehör) abgeben können.
TierFair.de: Wie oft können Bedürftige ihre Unterstützung in Anspruch nehmen?
Linda Hüttmann: Wir haben im Abstand von 14 Tagen samstags geöffnet und laden abwechselnd zwei Gruppen ein. Zum einen kommen Tierhalter aus der Ukraine, und zum anderen Termin können einheimische Tierhalter zu uns kommen. Beide Gruppen bekommen von uns das gleiche Angebot, wie Tierfutter oder Zubehör.
TierFair.de: Fühlen Sie sich von der Politik ausreichend unterstützt oder anders gefragt: Was wünschen Sie sich von der Politik für den Tierschutz?
Linda Hüttmann: Wir bekommen im Rahmen einer Projektförderung Fördermittel vom Land Berlin. Damit können wir einen Teil der Miete, aber auch unsere Minijobber, also unsere Fahrer, die die Spenden von unseren Sammelstellen abholen, finanzieren. Besonders bei den Fahrern kennt das Ehrenamt seine Grenzen, denn wir haben mittlerweile so viele Sammelstellen, dass es nicht mehr im Rahmen des Ehrenamts zu bewerkstelligen ist. Als uns unsere Räumlichkeiten gekündigt wurden, hat uns der Senat auf eine öffentliche Liegenschaft aufmerksam gemacht, die wir letztlich auch angemietet haben. Ein großes Problem, das uns vor große Herausforderungen stellt, ist die Langfristigkeit. Da wir keine langfristige Perspektive haben, wissen wir nicht, ob wir im nächsten Jahr mit der Finanzierung rechnen können oder im schlimmsten Fall, ob wir im nächsten Jahr überhaupt noch bestehen. Den Wunsch auf eine langfristig planbare Perspektive konnte uns die Politik bisher nicht erfüllen.
TierFair.de: Welche Möglichkeiten haben Interessierte neben Geldspenden, um die Tiertafel zu unterstützen?
Linda Hüttmann: Jeder Interessierte kann sich bei uns ehrenamtlich engagieren, weshalb auch die Termine der Spendenausgabe auf den Samstag gelegt sind, um berufstätigen oder studierenden Helfern die Möglichkeit zu geben, sich am Wochenende bei uns einzubringen. Wir sind auch gut besetzt, auch im Hintergrund und nicht nur in der Spendenausgabe, sind aber dankbar und offen für Neue, die uns unterstützen oder mitmachen wollen. Wir schauen, dass wir immer für jeden das passende Engagement finden. Es spielt auch keine Rolle, ob man regelmäßig oder nur sporadisch hilft, das ist jedem selbst überlassen.

TierFair.de: Planen Sie Projekte oder Veranstaltungen, bei denen man mehr über Ihre Arbeit erfahren kann?
Linda Hüttmann: Wir werden zu Veranstaltungen eingeladen, bei denen wir mit einem Infostand, ganz klassisch mit Flyern und einer Spendendose, teilnehmen. Auch bei Demonstrationen, wie zuletzt bei „Wir haben es satt“, waren wir mit einem Stand vertreten. Außerdem sind wir auch immer wieder von Kooperationspartnern wie Futterhaus oder Fressnapf zu Sommerfesten eingeladen, wo wir mitmachen können. In diesem Jahr wollen wir unser Jubiläum mit einem Tag der offenen Tür feiern. Letztes Jahr war es leider nicht möglich, aber solche Veranstaltungen helfen dabei, Spendeneinbrüche, wie sie häufig im Sommerloch auftreten, aufzufangen.
TierFair.de: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Linda Hüttmann: Wer mit dem Gedanken spielt, sich ein neues Tier anzuschaffen, sollte wirklich danach schauen, ob er sich das von der Zeit und finanziell leisten kann. Keinem Tier ist geholfen, wenn man letztlich zu wenig Zeit oder zu wenig Geld hat, um es ausreichend zu versorgen.
TierFair.de: Vielen Dank für Ihren Einblick in die Arbeit der Berliner Tiertafel e. V. Von ihrer Arbeit und dem Einsatz für die Tiere sind wir absolut begeistert und hoffen, dass sie schnellstmöglich eine langfristige Planungssicherheit erhalten.

Linda Hüttmann
seit der Jugend im Tierschutz und sozialen Bereich engagiert
Gründerin der Berliner Tiertafel e.V.
seitdem 1. Vorsitzende des Vereins
liebt den Trubel der Großstadt und die Erholung in der Natur
kennt keine Langeweile
Besucht doch mal die Webseite der Berliner Tiertafel e. V.