Im Gespräch mit…
Christian Falk, Hundetrainer und Experte für Leinenführung
Wir freuen uns, Ihnen Hundetrainer Christian Falk in einem Gespräch vorstellen zu dürfen. Herr Falk vermittelt in seiner täglichen Arbeit nicht nur grundlegende Hundetrainingstechniken, sondern legt auch großen Wert auf eine entspannte und kontrollierte Leinenführung. Mit seinem Wissen hilft er Hundebesitzern, das vielleicht auch überfordernde Problem der Leinenführung richtig zu verstehen und umzusetzen. Durch das Aufbauen einer starken Bindung zwischen Mensch und Tier schafft Herr Falk es, eine sichere und angenehme Leinenführung anzutrainieren. Das Duo Hundehalter und Hund verschmilzt durch viele spannende Trainingseinheiten zu einem Team, bis sie ihre Spaziergänge entspannt bewältigen können.
Mit Herrn Falk haben wir die Gelegenheit, mehr über die Bedeutung der Leinenführung und seine Trainingsmethoden zu erfahren. Im Gespräch gehen wir darauf ein, warum Leinenführung so wichtig für das Wohlbefinden eines Hundes ist und wie Hundebesitzer das Training richtig angehen können. Besonders spannend wird der Einblick in seine Trainingseinheiten rund um die gelungene Leinenführung.
TierFair.de: Guten Tag, Herr Falk, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch nehmen. Sie legen großen Wert auf die richtige Leinenführung. Gibt es einen besonderen Hintergrund oder eine persönliche Erfahrung, weshalb Sie sich auf dieses Thema spezialisiert haben?
Christian Falk: Der Grund, weshalb ich mich so für Leinenführigkeit interessiere, liegt in meiner Ausbildung zum Hundetrainer. Dort, wo ich die Ausbildung absolviert habe, ist sie in verschiedene Sektionen unterteilt – also Themen, die das Verhalten und die Lerntheorie betreffen. Wir hatten dort eben die Sektion zum Thema Leinenführigkeit. Die Dozentin kam herein und machte mir richtig Lust auf dieses Gebiet. Sie kam herein und meinte, dass wir bis jetzt geglaubt hätten, Leinenführigkeit sei ein langweiliges Standardthema, aber wenn das Seminar zu Ende ist, würden wir sehen, wie spannend das Thema in Bezug auf Lerntheorie und Kommunikation ist. Sie hat mich tatsächlich in die Begeisterung hineingezogen, denn die Leinenführigkeit ist DAS große Thema in unserer Welt, und es ist das komplette Gegenteil von langweilig. Es ist bemerkenswert, was die Leine als Kommunikationsmittel wortlos mit sich bringt, und das fasziniert mich bis heute.
TierFair.de: Für viele Hundehalter ist die Leinenführung ein Eingriff in die Freiheit des Hundes. Wie bewerten Sie diese Thematik?
Christian Falk: Das ist nicht zu leugnen, das können wir auch nicht schönreden. Gerade deshalb ist es so wichtig, weil wir die Freiheit des ehemaligen Wolfs, jetzt des domestizierten Hundes, mit der Leine einschränken. Ich sehe das auf jeden Fall als Freiheitseinschränkung, schon allein weil sie aus Sicherheitsgründen für das Tier, aber auch aus Rücksicht auf die Menschen und Verkehrsteilnehmer notwendig ist. Deshalb finde ich es so wichtig, die Leinenführigkeit in Fairness und Kooperation aufzubauen und durchzuführen und den räumlichen Strafaspekt immer kleiner werden zu lassen, sodass die Kooperation in der Strafbegrenzung immer und immer besser anfühlt – für den Hund und letztlich auch für den Halter oder die Halterin.
TierFair.de: Lässt sich damit also sagen, dass eine richtig gute Leinenführigkeit kaum noch eine Einschränkung der Freiheit ist?
Christian Falk: Grundsätzlich müssen wir verstehen, dass die Situation des Hundes immer auf Kooperation mit dem Menschen beruht. Diese Kooperation an der Leine, wenn sie richtig gut funktioniert, schränkt den Hund kaum noch in seinen Bedürfnissen ein. Natürlich sind wir weit davon entfernt, dass der Hund sich freut, wenn er endlich wieder an der Leine ist, nachdem er vorher frei gelaufen ist. Doch wir können die Kooperation der Leinenführigkeit so schön gestalten, dass wir kaum noch mit Bedürfniseinschränkungen konfrontiert werden.
TierFair.de: Welches Alter ist Ihrer Meinung nach das beste, um mit der Leinenführung zu beginnen? Und gibt es dabei spezielle Tipps, die für Welpen oder ältere Hunde wichtig sind?
Christian Falk: Je früher, desto besser. Ich habe auch Welpenkurse in meiner mobilen Hundeschule, und da geht es in manchen Modulen auch um das Thema Leinenführigkeit. Es gibt in diesem Alter natürlich viele andere Themen, die im Welpenalter – also in der sozialsensiblen Phase bis zur 20. Lebenswoche – ebenfalls sehr wichtig sind. Doch auch in dieser frühen Phase ist die Leinenführigkeit ein Thema, da wir einen positiven Bezug zur Leine herstellen müssen. Es geht im Welpenalter nach der klassischen Konditionierung darum, das Gefühl zu vermitteln, dass immer dann, wenn die Leine angelegt wird, etwas Tolles passiert. Man muss nur daran denken, dass es in der Adoleszenz, also in der pubertären Phase, immer wieder kleine Rückschritte geben kann. Das erfordert dann eben viel Geduld.
TierFair.de: Betrachten wir uns das Geschirr des Hundes. Gibt es die optimale Leine oder das optimale Brustgeschirr? Was empfehlen Sie Ihren Kunden?
Christian Falk: Es ist auf jeden Fall so, dass ein Geschirr verwendet werden muss, das gut sitzt. Was heißt „gut sitzen“? Es gibt verschiedene Druckpunkte des Hundes, die bei der Leinenführigkeit entscheidend sind. Hier ist es wichtig, dass es eine ausgewogene Kraft- und Druckentwicklung gibt, wenn es zum Leinenzug kommt. Bei mir ist es so, dass ich vor allem bei der Arbeit mit Tierschutzhunden auf ein Sicherheitsgeschirr setze, weil diese Hunde durch bestimmte Einflüsse und Reizüberflutung so starke Angstreaktionen zeigen können, dass sie sich aus einem regulären Geschirr womöglich befreien könnten. Das ist unter anderem auch ratsam an und um Silvester herum. Das ist auch etwas, das ich vor meinen Kursen anspreche: Das Geschirr muss richtig sitzen und positiv kontrolliert werden. Ich selbst empfehle immer Geschirre, die gut sitzen und einen breiten Riemen haben.
TierFair.de: Benötigen Halter eine Vorkenntnis, wenn sie Ihren Kurs besuchen oder welche Herausforderungen warten auf die Teilnehmer?
Christian Falk: Bei meinen mobilen Kursen können wir durch die Arbeit mit einem Audiosystem – also einem Mikrofon und Ohrstecker – große Abstände generieren. Das heißt, die Teilnehmer, die ich in einer kleinen Gruppe trainiere, stehen sehr weit voneinander entfernt, sodass die Hunde, die sich ohnehin stark auf sich konzentrieren müssen, nicht einer unmittelbaren Reizreaktion durch andere Hunde ausgesetzt sind. Vorkenntnisse benötigen die Halter keine, denn wir starten mit einer Konditionierungsmaßnahme, mit einer Markerkonditionierung und dem Zusammenspiel sowie der Orientierungsarbeit. Es ist eine häufig gestellte Frage, welche Voraussetzungen die Teilnehmer mitbringen müssen. Es kommt die Frage auf, wie: „Müssen wir durch einen Welpenkurs gelaufen sein? Muss das alles schon sitzen oder müssen wir bestimmte Sachen schon können?“ Das ist ganz klar nicht der Fall, denn ich fange mit den Teams von Null an.
TierFair.de: Bei der Leinenführung kommt es auf Kommunikation zwischen Mensch und Tier an. Das kann verbal, aber auch nonverbal sein. Inwiefern spielt die Körpersprache des Besitzers eine Rolle bei der Leinenführung?
Christian Falk: Es ist gar nicht so sehr, dass ich mit der Körpersprache arbeite. Was ich viel mehr möchte, ist eine Signalgebung durch die Leine. Was heißt das? Wenn wir an Signale denken, dann denken wir an Kommandos wie „Sitz“, „Platz“, „Bleib“ etc. Wir können uns also vorstellen, ein akustisches Signal führt zu einer Handlung, zum Beispiel, dass der Hund „Sitz“ oder „Platz“ macht. Das führt zu einer Konsequenz: Hier ist dein Futter, dein Lob oder Spielzeug. Das Gleiche soll aber auch gelten, wenn am Ende des Leinenführigkeitskurses das bloße Anlegen der Leine Signal genug ist. Man muss dann nicht zusätzlich sprechen, wie etwa „Komm, wir gehen hier oder da lang, wir biegen rechts oder links ab.“ Nein! Die Leine wird zum Signal, das dem Hund sagt: „Ich bleibe im Leinenradius.“ Das wird dann belohnt mit dem primären Verstärker. Der Leinenzug des Menschen ist das Mittel der Frustration, die der Mensch dann wählt, wenn der Hund nach vorne schießt. Das ist auch nach der Hundeschutzverordnung tierschutzwidrig. Durch den Leinenruck wirkt eine massive Energie auf den Hund ein. Zum einen ist es lerntheoretisch völliger Quatsch, dass der Hund Stress aufgrund seines natürlichen Freiheitstriebs erfährt, und zum anderen ist es auch gesundheitsrelevant, beispielsweise für die Halswirbelsäule oder die Wirbelsäule, für die Hüfte und den Bewegungsapparat im Allgemeinen. Dieser Leinenruck findet in einer ordentlichen Leinenführung keine Anwendung. Das Einzige, was passieren kann, ist, dass der Hund von alleine in die Leine geht und nach vorne, links, rechts oder nach hinten zieht. Dann gehen wir in einen stabilen Stand über, umgreifen die Leine fest und halten sie vor unsere Brust.
TierFair.de: Sollte ein Hund ziehen, sprechen Sie auf der Webseite davon, eine 180-Grad-Drehung zu machen und in die Richtung zu gehen, wo man herkam. Was bewirkt das beim Hund?
Christian Falk: Der Hund möchte eine bestimmte Aktion ausführen. Er geht also in die Leine. Wir müssen uns aber überlegen, dass es nicht richtig ist, und drehen um. Wenn wir das zulassen würden, wäre das ein Verstärker. Also: Du Hund ziehst, wir folgen. Dann denkt sich der Hund: „Das hat ja super funktioniert, das mache ich beim nächsten Mal wieder.“ Wenn er also nach vorne zieht, dann bleiben wir stehen, halten die Leine vor die Brust. Dann drehen wir uns um die eigene Achse und gehen in die andere Richtung. Das Gehen in die andere Richtung bewirkt, dass der Hund durch die Energie, die auf die Leine wirkt, uns folgt. Er merkt dann also, dass genau das Gegenteil von dem geschieht, was er wollte. Daraufhin orientiert er sich wieder am Menschen. Dahinter steckt aber ganz viel Übung, denn wenn es nicht richtig trainiert ist, kommt es zum Leinenzug durch die Hand. Das Maximale, was an „Leinenstrafe“ folgen kann, ist eine Richtungsänderung. Das geht aber nur mit einem Hund, der in der Kooperation so weit fortgeschritten ist, dass er im Leinenradius bleibt. Wenn er zieht, dann weiß er sofort, dass sich der Halter umdreht und orientiert sich direkt wieder im Leinenradius. Daraufhin loben wir den Hund wieder. Diese Methodik ist jedoch Teil der letzten Stunde des Leinenführigkeitskurses beziehungsweise in der ersten Stunde meines Fortgeschrittenenkurses. Da können wir schon sagen: „Hey! Du kennst das schon. Du weißt eigentlich, was du zu tun hast.“ Etwas, was auch ganz wichtig ist und für jede Übung gilt, ist, dass sie überall gelingen muss. Das heißt, wenn eine Übung auf dem Trainingsgelände funktioniert, dann muss sie auch an einem anderen Platz funktionieren. Ansonsten kommt es zu der Aussage: „Aber auf dem Hundeplatz hat das auch geklappt.“ Deshalb sollte jede Übung möglichst zeitnah an einem anderen Platz drei bis viermal wiederholt werden.
TierFair.de: Auf Ihrer Webseite sprechen Sie davon, im Training Marker zu nutzen und großen Wert auf Blickkontakt zwischen Mensch und Tier zu legen. Können Sie das in Bezug auf die Leinenführung näher erläutern?
Christian Falk: Der lerntheoretische Hintergrund ist der, dass es im Lernvorgang des Hundes, damit er die Handlung, die wir von ihm erwarten, auch vollzieht, den sogenannten Verstärker gibt. Der Verstärker ist ein Mittel, das wir in einem Moment mit der Handlung einsetzen, um dem Hund zu zeigen, dass es sich lohnt, das zu machen. Das ist der primäre Verstärker. Ein Beispiel ist das Futter, denn das Futter fühlt sich gut an – Kalorienaufnahme fühlt sich gut an. Wenn man das im richtigen Moment, im Zusammenhang mit der vorangegangenen Handlung macht, ist das eine Belohnung wie: „Klasse, das hast du toll gemacht.“ Der Marker – das kann ein Clicker, ein neutrales Geräusch wie ein Fingerschnipsen oder ein Wort sein, das wir im normalen Alltag nicht verwenden – ist eine Brücke zwischen der Handlung und dem primären Verstärker. Das machen wir deshalb, weil das Handlung und der primäre Verstärker, als Beispiel das Futter, ganz nah beieinander liegen müssen. Wir wollen ja aber nicht die ganze Zeit mit dem Futter in der Hand durch die Straße laufen und mit der Belohnung womöglich ein bisschen zu spät sein, also schalten wir den sogenannten sekundären Verstärker, also den Marker, davor. Der sekundäre Verstärker, also zum Beispiel das Fingerschnipsen, setzt den Zusammenhang zwischen deiner tollen Handlung und der Belohnung. Es ist sozusagen gewonnene Zeit.
TierFair.de: Viele Menschen greifen bei der Belohnung auf Leckerlies zurück. Ist es sinnvoll, den Hund nach gelungenen Aktionen mit (häufig ungesunden) Leckerlies zu belohnen, oder gibt es auch andere Wege, ihn weiter zu motivieren?
Christian Falk: Der primäre Verstärker ist unmittelbar wichtig für das Lernen des Hundes. Es funktioniert nicht, dass wir sagen: „Der Hund macht das von sich aus oder aus Liebe.“ Dies sind Wunschvorstellungen von zum Glück wenigen Menschen, die glauben, dass der Hund alleine durch die Existenz des Menschen lernt. Das ist nicht der Fall und auch wissenschaftlich bestätigt, dass es nicht so funktioniert. Wir brauchen einen primären Verstärker, der in der Regel das Futter ist, aber das kann auch ein Spielzeug sein. Bei Schäferhunden wird hierfür sehr gerne der Dummy genutzt, in den sie für ein gutes und schönes Gefühl kräftig reinbeißen können. Wir haben aber auch die soziale Interaktion, wie ein Streicheln oder gemeinsames Rennen und Spielen. Für viele Hunde reicht dieser Dopaminkick allerdings nicht. Der Superverstärker ist und bleibt einfach das Futter. Wenn die Überlegung aufkommt, dass das Futter vielleicht ungesunde Leckerlies enthält, die nicht gut sind, dann müssen wir daran arbeiten. Es gibt mittlerweile so viele gute gentechnik- und tierversuchsfreie Produkte, die gesund sind und die der Hund ohnehin zu sich nimmt. Ich verweise in meinen Kursen immer wieder darauf, dass gesundes Trockenfutter mit in den Leinenführigkeitskurs genommen werden sollte. Wir brauchen nicht das supertolle Leckerchen, sondern nehmen das Futter, das der Hund ohnehin zu sich nimmt, und reduzieren diese Menge von seinem täglichen Kalorienbedarf und setzen es im Training ein. Es ist gar nicht notwendig, die exklusivsten Pasten oder die feinste Leberwurst zu verwenden, sondern einfach das reguläre Futter, das natürlich auch gesund sein kann.
Christian Falk
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